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03. Juli 2008:
Franz Kafka zum 125. Geburtstag

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Erinnerungsartikel

geboren 3. Juli 1883   gestorben 3. Juni 1924

"Über den Wert selbstbiographischer Aufzeichnungen hat Kafka stets sehr hoch gedacht..."
- Max Brod: Franz Kafka, eine Biographie.

Tagebuch, 19. Dezember 1910
Ein wenig Goethes Tagebücher gelesen. Die Ferne hält dieses Leben schon beruhigt fest, diese Tagebücher legen Feuer daran. Die Klarheit aller Vorgänge macht sie geheimnisvoll, so wie ein Parkgitter dem Auge Ruhe gibt, bei Betrachtung weiter Rasenflächen, und uns doch in unebenbürtigen Respekt setzt.

Tagebuch, 25. Dezember 1911
Goethe hält durch die Macht seiner Werke die Entwicklung der deutschen Sprache wahrscheinlich zurück. Wenn sich auch die Prosa in der Zwischenzeit öfters von ihm entfernt, so ist sie doch schließlich, wie gerade gegenwärtig, mit verstärkter Sehnsucht zu ihm zurückgekehrt und hat sich selbst alte, bei Goethe vorfindliche, sonst aber nicht mit ihm zusammenhängende Wendungen angeeignet, um sich an dem vervollständigten Anblick ihrer grenzenloser Abhängigkeit zu erfreuen.

Brief an Felice Bauer, 17./18. Januar 1913
Ich habe jetzt, Liebste, nach langer Zeit wieder einmal eine schöne Stunde mit Lesen verbracht. Niemals würdest Du erraten, was ich gelesen habe und was mir solche Freude gemacht hat. Es war ein alter Jahrgang der Gartenlaube aus dem Jahre 1863. Ich habe nichts bestimmtes gelesen, sondern 200 Seiten langsam durchgeblättert, die (damals noch wegen der kostspieligen Reproduktion seltenen) Bilder angeschaut und nur hie und da etwas besonders Interessantes gelesen. Immer wieder zieht es mich in so alte Zeiten, und der Genuß, menschliche Verhältnisse und Denkweisen in fertiger, aber noch ganz und gar verständlicher (mein Gott, 1863, es sind ja erst 50 Jahre her) Fassung zu erfahren, trotzdem aber nicht mehr imstande zu sein, sie von unten her gefühlsmäßig im Einzelnen zu erleben, also vor die Notwendigkeit gestellt zu sein, mit ihnen nach Belieben und Laune zu spielen, – dieser widerspruchsvolle Genuß ist für mich ungeheuer. Immer wieder lese ich gern alte Zeitungen und Zeitschriften. Und dann dieses alte, einem ans Herz gehende wartende Deutschland von der Mitte des vorigen Jahrhunderts! Die engen Zustände, die Nähe, in der sich jeder dem anderen fühlt, der Herausgeber dem Abonnenten, der Schriftsteller dem Leser, der Leser den großen Dichtern der Zeit (Uhland, Jean Paul, Seume, Rückert "Deutschlands Barde und Brahmane").

Brief an Felice Bauer, 13. / 14 März 1913
Wie wäre es, Liebste, wenn ich Dir statt Briefe - Tagebuchblätter schicken würde? Ich entbehre es, daß ich kein Tagebuch führe, so wenig und so nichtiges auch geschieht und so nichtig ich alles auch hinnehme. Aber ein Tagebuch, das Du nicht kennen würdest, wäre keines für mich. Und die Veränderungen und Auslassungen, die ein für Dich bestimmtes Tagebuch haben müßte, wären für mich gewiß nur heilsam und erzieherisch. Bist du einverstanden? Der Unterschied gegenüber den Briefen wird der sein, daß die Tagebuchblätter vielleicht manchmal inhaltreicher, gewiß aber immer noch langweiliger und noch roher sein werden, als es die Briefe sind. Aber fürchte Dich nicht allzusehr, die Liebe zu Dir wird ihnen nicht fehlen.

Brief an Josef Körner, 3. Juni 1919 [zu einem Aufsatz über Bettina von Arnim]
Meinen besten Dank. Solche Untersuchungen sind so friedlich und friedenbringend, ich hätte noch gerne lange weitergelesen, besonders da die Führung sehr zart ist und zum Manne hält. Allerdings scheint auch Bettina ein verkleideter verwirrter halbjüdischer junger Mann gewesen zu sein und ich verstehe nicht wie sich die glückliche Ehe und die 7 Kinder ergeben haben. Sollte dann auch noch das Leben der Kinder halbwegs gerade verlaufen sein, wäre es ein Wunder.

Gespräch mit Gustav Janouch, 1920
Gustav Janouch traf Kafka in der Kanzlei der Arbeiter-Unfall-Versicherung
beim Studium eines Prospektes mit Büchern der Reclam-Universalbibliothek an.
"Ich berausche mich an Buchtiteln", sagte Kafka zu Janouch, "Bücher sind ein Narkotikum." Janouch zeigte ihm seine Aktentasche voller Neuerscheinungen, die Kafka durchsah, um anschließend zu erklären: "Sie beschweren sich zu sehr mit Eintagsfliegen. Die Mehrzahl dieser modernen Bücher sind nur flackernde Spiegelungen des Heute. Das erlischt sehr rasch. Sie sollten mehr alte Bücher lesen. Klassiker. Goethe. Das Alte kehrt seinen innersten Wert nach außen - die Dauerhaftigkeit. Das Nur-Neue ist die Vergänglichkeit selbst. Die ist heute schön, um morgen lächerlich zu erscheinen. Das ist der Weg der Literatur."

Brief an Max Brod, 20. Juli 1922
Aber gute Nahrung hat gestern meine Ansicht bekommen, als ich auf der Fahrt ein Reclambändchen "Storm: Erinnerungen" las. Ein Besuch bei Mörike. Diese beiden guten Deutschen sitzen im Frieden dort beisammen in Stuttgart, unterhalten sich über deutsche Literatur. Mörike liest "Mozart auf der Reise nach Prag" vor (Hartlaub, Mörikes Freund, der die Novelle schon sehr gut kennt, "folgte der Vorlesung mit einer verehrenden Begeisterung, die er augenscheinlich kaum zurückzuhalten vermochte. Als eine Pause eintrat, rief er mir zu: 'Aber, i bitt Sie, ist das nun zum Aushalte'. – Es ist 1855, es sind schon alternde Männer, Hartlaub ist Pfarrer), und dann sprechen sie auch über Heine. Über Heine ist schon in diesen Erinnerungen gesagt, daß für Storm die Pforten der deutschen Literatur durch Goethes Faust und Heines Buch der Lieder, diese beiden Zauberbücher, aufgesprungen sind. Und auch für Mörike hat Heine große Bedeutung, denn unter den wenigen, ihm sehr teueren Autogrammen, die Mörike besitzt und Storm zeigt, ist auch "ein sehr durchkorrigiertes Gedicht von Heine." Trotzdem sagt Mörike über Heine – und es ist, obwohl es hier wohl nur Wiedergabe einer landläufigen Ansicht ist, zumindest von einer Seite her eine blendende und noch immer geheimnisvolle Zusammenfassung dessen, was ich vom Schriftsteller denke und auch was ich denke, ist in einem andern Sinn landläufige Ansicht: "Er ist ein Dichter ganz und gar" sagte Mörike "aber nit eine Viertelstund' könnt' ich mit ihm leben, wegen der Lüge seines ganzen Wesens." Den Talmudkommentar dazu her!

 

 

02.07.2008

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