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Karl August Varnhagen von Ense |
Rahel Varnhagen, geb. Levin |
1771
Rahel als Tochter von Chaje und Markus Levin geboren (19.
Mai) in Berlin.
1778
Rahels Bruder Liepmann, der spätere Dichter Ludwig Robert
geboren (16. Dezember)
1783
Rosa Maria Antonetta Paulina Varnhagen (28. Mai) in Düsseldorf
geboren. Ihre Eltern sind Anna Maria geb. Kuntz, aus Straßburg
gebürtig, und der aufgeklärte Stadt-Physikus und
Medizinalrat Dr. Johann Jacob Andreas Varnhagen.
1785
Karl August Varnhagen in Düsseldorf geboren (21. Februar).
Väterlicherseits stammen die Varnhagens aus dem Westfälischen;
ihren ursprünglichen Adelsnamen "von Ense"
haben sie längst abgelegt.
1787
David Assur wird in Königsberg geboren (12. Dezember);
als zwölftes Kind der Kaufleute Assur Levi und Caja,
geb. Mendel.
1789
Rosa Maria reist mit der Mutter erstmals ins revolutionäre
Straßburg.
1790
Tod des Vaters von Rahel, Markus Levin, in Berlin (8. Februar).
Die Familie Varnhagen übersiedelt nach Straßburg,
wo Johann Jacob Varnhagen vergebens eine medizinische Professur
anstrebt.
1793
Die Familie Levin zieht in die Berliner Jägerstraße
54, wo Rahel eine Dachstube bewohnt und zum geistigen Mittelpunkt
der Abendgesellschaften wird, die ihre Elterns nach französischem
Vorbild geben. Gäste u. a. die Brüder Schlegel,
die Brüder Humboldt, Prinz Louis Ferdinand von Preußen
und Pauline Wiesel.
1794
Wegen Jakobinismus aus Düsseldorf ausgebürgert,
geht Johann Jacob Andreas Varnhagen mit seinem Sohn Karl August
nach Hamburg. Mutter und Tochter folgen 1796. Rahel Levin
reist nach Breslau.
1795
Rahel Levin lernt Wilhelm von Burgsdorff und Karoline von
Humboldt kennen und begegnet Goethe in Karlsbad.
1796
Im Januar beginnt Rahels glückloses Verhältnis mit
Karl Graf von Finckenstein.
1798
Rahel Levin reist nach Teplitz in Böhmen, wo sie unter
dem Namen Robert Heilbäder gegen ihre rheumatische Erkrankung
nimmt.
1799
Karl Augusts Vater Johann Jacob Varnhagen stirbt in Hamburg
(5. Juni).
1800
Rosa Maria arbeitet als Erzieherin wie ihr Bruder, der zuerst
am Militärkrankenhaus Pepinière in Berlin Medizin
studiert. Rahel trennt sich von Finckenstein und reist mit
Gräfin Schlabrendorff nach Paris.
1802
Verlöbnis Rahel Levins mit dem spanischen Gesandten Don
Raphael d'Urquijo.
1803
Varnhagen bricht das Studium ab, nachdem die Finanzierung
durch einen Freund der Familie ausbleibt. Er nimmt eine Hauslehrerstelle
bei dem Fabrikanten Cohen an. Erste Begegnung Rahel Levins
mit Karl August Varnhagen im Haus Cohen. Gemeinsam mit Adelbert
von Chamisso gibt er einen »Musenalmanach« (bis
1805) heraus.
1804
Nach dem Bankrott Cohens kehrt Varnhagen nach Berlin zurück
und wird Hauslehrer bei der Bankiersfamilie Hertz. Von der
jungen Kaufmannnsgattin Fanny Hertz werden Varnhagen und seine
Freunde bei ihren literarischen Unternehmungen finanziell
unterstützt. Rahel löst das Verlöbnis mit d'Urquijo.
1806
Karl August Varnhagen wechselt auf die Universität Halle
(Dezember). Philologische und philosophische Studien bei Heinrich
Steffens, Schleiermacher und Friedrich August Wolff. Freundschaft
mit Nikolaus Harscher, Adolph Müller und Alexander von
der Marwitz. Louis Ferdinand von Preußen fällt
in der Schlacht von Saalfeldt gegen die Franzosen (9. Oktober).
Varnhagen veröffentlicht mit Wilhelm Neumann den Band
»Erzählungen und Spiele«.
1807
Nach der Aufhebung der Universität Halle durch die französischen
Besatzer kehrt Varnhagen nach Berlin zurück und lernt
Johannes von Müller kennen (Mai). Erstmals besucht er
das Dichterpaar Karoline und Friedrich de la Motte Fouqué
in Nennhausen (Pfingsten). Arbeit an einem Kollektivroman:
»Die Versuche und Hindernisse Karls«, an dem Neumann,
Fouqué, August Wilhelm Bernhardi und Chamisso mitarbeiten.
1808
Im September setzt Karl August Varnhagen sein Studium in Tübingen
fort. Karl August Varnhagen lernt Ludwig Uhland und Justinus
Kerner kennen. Das Liebesverhältnis mit Fanny Hertz wird gelöst.
Zerwürfnis Rahel Levins mit ihrer Mutter Chaje; Umzug
in ihre erste eigene Wohnung.
1809
Aufenthalt in Wien. Karl August Varnhagen lernt Wilhelm Friedrich
Meyer, den Autor des Romans Dya-na-sore kennen. Im Juni schließt
er sich dem k.u.k.-Regiment Vogelsang an und wird in der Schlacht
von Wagram (5./6. Juli) verwundet. Rahel Levin lernt Alexander
von der Marwitz kennen. Im Oktober stirbt ihre Mutter.
1810
Karl August Varnhagen ist als Adjutant des Obersten Wilhelm
von Bentheim, den er von einer Krankheit heilen kann, in militärischen
Diensten. Reisen mit ihm nach Prag, Kassel, Burgsteinfurt
und Paris. In Paris Audienz bei Napoleon und Teilnahme am
Fest des Fürsten Schwarzenberg, dessen Palast abbrennt.
Rahels Familie nimmt den Namen Robert an.
1811
Karl August, der sich im Winter auf dem erbgräflichen
Schloß der Bentheims in Burgsteinfurt aufgehalten hat,
nimmt den Adelstitel seiner Vorfahren »von Ense«
an. Aufenthalt in Teplitz mit Rahel Levin, Bekanntschaft mit
Beethoven. Veröffentlichung von Feuilletons im »Morgenblatt
für gebildete Stände«. Mit einem Kredit ihres
Arbeitgebers gründet Varnhagens Schwester Rosa Maria
ein Mädchenpensionat in Altona, publiziert als »Rosa
Maria« Lyrik und Novellen in Journalen und Musenalmanachen.
Zu ihren Freunden gehören Amalie Schoppe, Justinus Kerner
(ab 1809), Uhland, der Dichterarzt Dr. David Assur (1812),
später Heinrich Heine, Friedrich Hebbel, Salomon Steinheim
und viele Schriftsteller des Jungen Deutschland.
1812
Auseinandersetzung Karl August Varnhagens mit Clemens Brentano
wegen dessen antisemitischer Äußerungen zu Rahel
(April). Im Juli erscheinen erstmals Rahels Briefe über
Goethe im Druck (anonym im »Morgenblatt für gebildete
Stände«).
1813-1815
Karl August Varnhagen (als Hauptmann im österreichischen
u. russischen Dienst, attachiert an den Generalfeldmarschall
Tettenborn) und David Assur (als Regiments-Chirurg im Bülowschen
Korps) beteiligen sich an den Freiheitskriegen gegen Napoleon.
Rahel organisiert ein Hilfswerk für Verwundete in Prag.
Nach der Eroberung und erneuten Preisgabe Hamburgs (18. März
bzw. 30. Mai) schreibt Varnhagen die »Geschichte der
hamburgischen Begebenheiten«. Er gibt außerdem
die »Zeitung aus dem Feldlager« heraus.
1814
Rahel läßt sich taufen (23. September), nimmt den
Namen Antonie Friederike an und heiratet Karl August Varnhagen
von Ense (27. September). Trauzeuge ist Friedrich de la Motte-Fouqué.
Nacheinander reisen beide zum Wiener Kongreß, Karl August
mit dem Staatskanzler Hardenberg. Rahel lernt in Wien Astolphe
de Custine und Paul Ignaz Vital Troxler kennen und trifft
Friedrich von Gentz wieder, von dessen distanzierter Haltung
sie enttäuscht ist. Varnhagen veröffentlicht die
»Geschichte der Kriegszüge des Generals Tettenborn«
und pro-preußische Flugschriften.
1815
Varnhagen reist mit Hardenberg zu Friedensverhandlungen nach
Paris und trifft dort Henriette Mendelssohn, Friedrich von
Gentz, Pauline Wiesel sowie seine ehemaligen Vorgesetzten
Tettenborn und Wilhelm von Bentheim. Rahel reist nach Frankfurt
(8. Oktober) und begegnet Goethe.
1816
Staatskanzler Hardenberg macht Varnhagen zum preußischen
Gesandten am badischen Hof in Karlsruhe (Juli). - David Assur
läßt sich taufen (19. Februar), schwört unter
dem Namen »David Assur Assing« den Hamburger Bürgereid
(29. März) und wird städtischer Armenarzt. Er heiratet
Rosa Maria (1. Mai), das Paar wohnt zunächst im jüdischen
Viertel, später in der Poolstraße 15. Ihr erster
Sohn Carl Eginhardt (geb. 9. März 1817) wird nur zehn
Monate alt. Von Varnhagen erscheinen »Vermischte Gedichte«.
1817
Varnhagen trifft in Weimar erstmals persönlich mit Goethe
zusammen. Er wird zum preußischen Minister-Residenten
ernannt (November).
1819
Ottilie Davida Assing in Hamburg geboren (11. Februar). Antijüdische
Ausschreitungen in ganz Deutschland (sog. »Hep-Hep-Stürme«),
auch in Karlsruhe und Mannheim. Nach der Ermordung des Dichters
August von Kotzebue durch den Studenten Carl Ludwig Sand und
den »Karlsbader Beschlüssen« Demagogenverfolung,
Verschärfung der Zensur und der innenpolitischen Restriktionen.
Auf Betreiben Metternichs, der ihn als Revolutionär verdächtigt,
wird Karl August Varnhagen von seinem Posten abberufen und
in den Wartestand versetzt. Im Oktober Rückkehr des Ehepaars
nach Berlin. Freunde der Varnhagens: Goethe, Humboldt, Hegel,
Pückler, Heine, Eduard Gans, Bettine von Arnim u. v.
a.
1821
Rosa Ludmilla Assing in Hamburg geboren (22. Februar). Von
Rahel erscheinen Fragmente und Briefe in Zeitschriften wie
»Der Gesellschafter« von Friedrich Gubitz und
»Die Wage« von Ludwig Börne.
1824
Varnhagen veröffentlicht seine »Biographischen
Denkmale« in 4 Bänden (bis 1830).
1825
Reisen des Ehepaars nach Baden-Baden, Weimar, Frankfurt am
Main und Karlsruhe. Rehabilitation und Ernennung Varnhagens
zum Geheimen Legationsrat; verschiedene diplomatische Missionen
für Preußen.
1826
Anna Maria Varnhagen stirbt in Hamburg.
1827
Gemeinsam mit Eduard Gans gründet Varnhagen die Berliner
»Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik«.
Das Ehepaar zieht in die Mauerstraße 36.
1832
Rahels Bruder Ludwig Robert und seine Ehefrau Friederike sterben
in Karlsruhe an den Folgen einer Typhuserkrankung.
1833
Rahel Varnhagen stirbt in Berlin (7. März); Karl August
ediert »Rahel. Ein Buch des Andenkens« für
ihre Freunde, zuerst als Privatdruck, später in einer
dreibändigen Ausgabe. Von Varnhagen erscheinen gesammelte
Buchkritiken unter dem Titel »Zur Geschichtsschreibung
und Litteratur«.
1834
An Rahel gerichtete Briefe mit Kurzbiographien ihrer Freunde
von Varnhagen erscheinen in der »Gallerie von Bildnissen
aus Rahels Umgang und Briefwechsel« (2 Bde.). Von Rosa
Maria Assing erscheint in Straßburg die Erzählung
»Der Schornsteinfeger«.
1836
Varnhagen veröffentlicht die Biographie des Generals
von Seydlitz.
1837
Varnhagen beginnt mit der Veröffentlichung der Buchreihe
»Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften«
(9 Bände bis 1859) und gibt die Biographie der Königin
Sophie Charlotte von Preußen heraus.
1840
Rosa Maria Assing stirbt in Hamburg (22. Januar); ihre gesammelten
Gedichte und eigene »Nenien auf den Tod Rosa Marias«
gibt ihr Witwer David Assing heraus.
1842
David Assur Assing stirbt (25. April). Im September ziehen
die (finanziell unabhängigen) Schwestern zu ihrem Onkel
nach Berlin. Ludmillas Freunde: Karl Gutzkow, Theodor u. Klara
Mundt, Gottfried Keller, Emma Herwegh, Feodor Wehl u. v. a.
1843
Ottilie verläßt im Streit mit dem Onkel Berlin
(11. September); in Hamburg finanziert sie das Theater von
Jean Baptiste Baison und schreibt, nachdem er verstorben ist,
dessen Biographie (anonym, Hamburg 1851).
1844
Varnhagen veröffentlicht Biographien von Jacob Keith
und Hans von Held.
1846
Von Ludmilla Assing (Pseudonym: Achim Talora) erscheinen erste
Feuilletons und Novellen im »Telegraph für Deutschland«,
später »Deutsche Allgemeine Zeitung«, »Europa.
Chronik der gebildeten Welt«, »Jahreszeiten«.
Für die »Jahreszeiten« schreibt auch Ottilie,
sowie für das Morgenblatt für gebildete Leser; anonym
veröffentlicht sie 1851 in Hamburg die Biographie des
inzwischen verstorbenen Schauspielers Baison.
1848
Ludmilla Assing und Varnhagen erleben die Märzrevolution
in Berlin. Ihre Augenzeugenberichte vom Barrikadenkampf erscheinen.
Gewaltdrohung gegen Assing in der Vossischen Zeitung (25.
Oktober), die von Karl Marx herausgegebene Neue Rheinische
Zeitung nimmt sie in Schutz. Varnhagen lehnt ein Ministeramt
unter Ernst von Pfuel ab und versucht, durch die Flugschrift
»Schlichter Vortrag an die Deutschen über die Aufgabe
des Tages« Einfluß zu nehmen.
1853
Ottilie Assing wandert in die USA aus, wird Geliebte und Mitarbeiterin
des afro-amerikanischen Bürgerrechtlers Frederick Douglass,
dessen Autobiographie »My Bondage And My Freedom«
sie übersetzt, dt. »Sclaverei und Freiheit«
(Hamburg 1860). Varnhagen veröffentlicht das »Leben
des Grafen Bülow von Dennewitz«.
1856
Varnhagen schenkt Ludmilla Assing, seiner literarischen Nachlaßverwalterin,
die Handschriftensammlung (7. Dezember).
1857
erscheint von Ludmilla Assing: »Gräfin Elisa von
Ahlefeldt, die Gattin Adolphs von Lützow, die Freundin
Immermann's«. In der reaktionären »Kreuzzeitung«
Angriffe auf die Autorin unter dem Titel »Emancipirt!«.
Die Autorin nimmt Zeichenunterricht und lernt Italienisch.
1858
Karl August Varnhagen von Ense stirbt in Berlin (10. Oktober);
Bd. 8 und 9 seiner von 1937 an (seit 1843 in zweiter Auflage)
erscheinenden »Denkwürdigkeiten und vermischten
Schriften« gibt Ludmilla Assing heraus. Sie muß
die Mauerstr. 36 verlassen und zieht in die Potsdamerstraße.
Bei der Versteigerung eines Teils seiner Bibliothek durch
die Buchhandlung T. O. Weigel in Leipzig hilft Ferdinand Lassalle.
1859
Schweiz-Reise mit Lassalle und Gräfin Hatzfeld. Ludmilla
Assing: »Sophie LaRoche, die Freundin Wieland's«
erscheint.
1860
Die »Briefe von Alexander von Humboldt an Varnhagen
von Ense« erleben fünf Auflagen hintereinander
in acht Wochen, Nachdrucke und Übersetzungen in England,
USA, Frankreich, Dänemark. Schweiz. Scharfe Polemik gegen
die Herausgeberin, das Buch wird von Demokraten gefeiert,
von Reaktionären geächtet. Erste Reise nach Italien
(Grenzübergang 6. September).
1861
Vorbereitung der »Tagebücher von K. A. Varnhagen
von Ense« (14 Bände), die ab Oktober in Leipzig
erscheinen und noch heftigere Reaktionen auslösen. Ferner
bringt Brockhaus aus dem Varnhagenschen Nachlaß: »Tagebücher
von Friedrich Gentz zum Druck (in einem Band), »Briefe
Rahels an David Veit« und »Briefe von Ludwig Börne
an Henriette Herz«. Zweite Reise Ludmilla Assings nach
Italien; im Oktober kommt Ludmilla Assing zum ersten Mal nach
Florenz, schreibt von dort für »Frankfurter Zeitung«,
»Gartenlaube«, »Deutsche Rundschau«
etc.
1862
Ludmilla Assing setzt ihre Reise nach Rom (Januar) und Sizilien
fort (Februar/März). In der Zeitschrift »Unterhaltungen
am häuslichen Herd« erscheint ihre Übersetzung
von Piero Cironi: »Kunst und Industrie in Italien (6.
Februar). Rückkehr nach Florenz (17. April), wo sie sich
niederläßt. In Preußen werden Zeitungen beschlagnahmt,
die 1848er-Tagebücher Varnhagens nachdrucken (Mai). Assing
entschließt sich, der gerichtlichen Vorladung (28. Mai)
nicht zu folgen. Sie wird in Abwesenheit zu acht Monaten Haft
verurteilt (4. August). In Florenz hat sie ein Liebesverhältnis
mit Piero Cironi, der im selben Jahr stirbt (1. Dezember).
Sie übersetzt seine »Kunst der Rebellen«
und »Die nationale Presse in Italien« (Leipzig:
Brockhaus 1863); schreibt eine Vita Piero Cironi (Prato 1865;
dt. »Piero Cironi, Ein Beitrag zur Geschichte der Revolution
in Italien«, Leipzig: Matthes 1867).
1863
Gegen die Herausgeberin der Varnhagenschen Tagebücher
wird ein Steckbrief erlassen (11. März). Sie wird die
Geliebte des Journalisten Andrea Gianelli, der verheiratet
ist und eine Tochter hat. Ludmilla Assing erkrankt bei Geburt
ihres gemeinsamen Sohnes Carlo (September), der nach 25 Tagen
stirbt. Heimlich wird ihr das Archiv ihres Onkels über
Zürich nach Florenz gesandt, wo es der Heine-Biograph
Charles Berthoud benutzt (19. Dezember), später Karl
Hillebrand, Adolf Kohut u.v.a. Erste italienische Artikel
von ihr in der Unità Italiana« (Milano). Varnhagens
»Tagebücher« werden beschlagnahmt (Bände
3-4 im April, 5-6 im August). Der Verleger Brockhaus in Leipzig
gerät unter Druck (Verbot seiner »Deutschen Allgemeinen
Zeitung«) und lehnt die weitere Publikation ab.
1864
Zweiter Prozeß (22. Februar) gegen Ludmilla Assing wg.
Majestätsbeleidigung u.a.; Verurteilung zu zwei Jahren
Gefängnis.
1865
Ludmilla Assing in Sorrent. Gespräche mit Bakunin, dessen
Artikel sie übersetzt. Sie übersetzt auch Mazzinis
Antwort auf den Papst für die »Allgemeine deutsche
Arbeiter-Zeitung« (26. März) und publiziert erstmals
mit Namensnennung in italienischer Sprache im »Popolo
d'Italia« (18. August). Trennung von Gianelli (28. November),
den sie weiterhin finanziell unterstützt. Beschlagnahme
in Zürich gedruckten Fortsetzung der »Tagebücher«
(Bände 7 und 8, im Mai). In Leipzig läßt sie
einen Band Briefe von Bettine v. Arnim, Heine und vielen anderen
drucken; in Stuttgart den Briefwechsel Rahels und Varnhagens
mit Konrad Engelbert Oelsner.
1866
Reise nach London, Paris, Zürich und Lugano (Mai-September),
sie interviewt Mazzini und Grilenzoni. Paolo Mantegazza druckt
ihren Aufsatz La posizione sociale della donna«. Aufhebung
des Steckbriefs (15. November) nach einer Generalamnestie.
1867
Die Herausgeberin unterliegt im Prozeß gegen den Zürcher
Verleger Reimmann, der den Weiterdruck der »Tagebücher«
verweigert (28.2.; Zeuge: Gottfried Keller). Die letzten 6
Bände druckt Hoffmann & Campe in Hamburg. Deutschlandreise,
Rahel wird neben Karl August bestattet (Berlin, Dreifaltigkeitsgemeinde).
Bei Brockhaus erscheinen Briefe von Wilhelm v. Humboldt, Chamisso,
Pauline Wiesel u.a. (2 Bände). Ludmilla Assing läßt
sich ein Haus in der Via Luigi Alamanni 27 bauen und wird
ständige Korrespondentin der »Neuen Freien Presse«
(Wien); später schreibt sie auch Buchkritiken für
die »Wiener Abend-Post«. Weiterhin schreibt sie
Korrespondenzen für die »Frankfurter Zeitung und
Handelsblatt«.
1868
Varnhagens »Tagebücher« Band 9 bleibt unbehelligt;
ebenso die Blätter aus der preußischen Geschichte«
(5 Bände). Übersetzung von zwei Bänden gesammelter
Schriften Giuseppe Mazzinis. 23.-26. Dezember.: Reise nach
Lugano. Sie besucht einen alternden Revolutionär des
Risorgimento und schreibt seinen Nekrolog: »In memoria
di Giovanni Grilenzoni«.
1870
La Favilla druckt einen Aufsatz Ludmilla Assings über
»Saggio critico sul romanzo in Germania«. Novelle
»Aus der Florentiner Gesellschaft« in »Westermann's
Illustrirten Monatsheften«. Aus Varnhagens Nachlaß
erscheinen »Biographische Porträts« mit Briefen
u.a. von Ferdinand Koreff, Karoline de la Motte-Fouqué
und Clemens Brentano, außerdem (in französischer
Sprache in Brüssel) die Briefe von Delphie und Astolphe
de Custine an das Ehepaar Varnhagen. Von nun an jährlich
Reisen, einmal auch mit ihrer Schwester Ottilie nach Deutschland,
eine Rückkehr dorthin lehnt sie jedoch ab.
1871
Ludmilla Assing erbt den literarischen Nachlaß des Fürsten
Hermann von Pückler-Muskau, dessen Biographie sie schreiben
soll. Von ihrem Onkel Varnhagen ediert sie in 19 Bänden
»Ausgewählte Schriften« bei Brockhaus (1871-1876).
1872
Sie bietet der Königlichen Bibliothek in Berlin ihre
Bücher-, Bilder-, Zeitungs- und Autographensammlung als
Vermächtnis an (5. Juli), unter der Bedingung, alles
zusammenzuhalten und »der öffentlichen Nutzung
möglichst [zu] überlassen«.
1873
»Tagebücher« von Friedrich Gentz (auf 4 Bände
erweitert, 1873-74), die Biographie des Fürsten Pückler
(2 Bände, 1873-74), Briefe und Tagebücher aus dessen
Nachlaß (9 Bände, 1873-76).
1874
Attentatsprozeß gegen eine Vielzahl zu Unrecht beschuldigter
Sozialisten in Florenz (u.a. gegen deren Anwalt Salvatore
Battaglia), über den Ludmilla Assing berichtet. »Briefwechsel
zwischen Rahel und Karl August Varnhagen« (in 6 Bänden
1874/75) und »Briefe von der Universität in die
Heimath« von Adolf Müller erscheinen bei Brockhaus
in Leipzig. Gründung eines deutschen Lesezirkels in Florenz
(2. November). Ludmilla Assing lernt und liest Lateinisch.
In ihrem Salon verkehren u.a. de Gubernatis, dall'Ongaro,
Verga, Hillebrand, Campanella und die Brüder Battaglia.
Assings Verlöbnis mit dem 25jährigen Bersaglieri-Offizier
Cino Grimelli, den sie heiratet (13. Dezember), löst
in Deutschland einen Presseskandal aus. Wenige Monate später
wird mit Hilfe des Advokaten Salvatore Battaglia die Ehe geschieden;
als Redakteur in Modena nimmt sich Cino Grimelli im September
1878 das Leben.
1876
Ludmilla Assing erneuert ihr Testament (15. Juli); setzt Salvatore
Battaglia als Nachlaßverwalter ein.
1878
Aus Rahels Herzensleben. Briefe und Tagebuchblätter druckt
Brockhaus in Leipzig. Für ihre letzten Buchprojekte -
Biographien über ihre Eltern und Julie Bondeli - , findet
Ludmilla Assing keinen Verleger. Artikelserie »Italienische
Briefe« für Cottas Allgemeine Zeitung« (bis
Anfang 1880); in Italien schreibt sie u.a. für »La
Nazione«, »Gazetta d'Italia«, »Lo
Zenzero« und De Gubernatis' »Rivista europea«.
1880
Ludmilla Assing stirbt (25. März), nach kurzer Erkrankung
und vorübergehendem Aufenthalt in der Heilanstalt für
Geisteskranke, San Bonifazio in Florenz, in ihrem Haus an
Meningitis. Die Königliche Bibliothek erhält ihren
literarischen Nachlaß (außer ihren Verlagsbriefen
und italienischen Papieren); das sonstige Vermögen dient
zur Gründung einer Schule in Florenz mit obligatem Deutschunterricht
und Erziehung »secondo i principii della vera democrazia«.
Ottilie erbt nur den Schmuck ihrer Schwester und muß
ihr lebenslanges Wohnrecht in der Via Luigi Alamanni 27 mit
Federico Campanella teilen (der aber bis zu seinem Tod 9.
Dezember 1884 in einer Etagenwohnung Via Borgognissanti 39
lebt).
1881
Überführung der Varnhagensammlung nach Berlin. Cesare
Sighinolfi gestaltet Assings Grabbüste (auf dem Friedhof
Agli Allori). Aus den USA zurückgekehrt, bemüht
sich Ottilie vergebens, das Testament ihrer Schwester anzufechten
und läßt sich in Florenz nieder. Als erstes Buch
aus den Beständen der Varnhagenschen Sammlung erscheinen
die Briefe Dorothea Schlegels an ihre Söhne.
1882
König Umberto I. bestätigt Statuten der »Scuola
Ludmilla Assing« (30. März), deren Verwaltung ein
Verein übernimmt.
1884
An Krebs erkrankt, scheidet Ottilie Assing in Paris im Bois
de Boulogne freiwillig aus dem Leben (21. August).
1907
Die Scuola Ludmilla Assing wird Handelsschule und von der
Stadtverwaltung mit 1000 Lira im Jahr subventioniert. Unterricht:
Englisch, Maschinenschreiben; Mazzinis »I doveri dell'uomo«
soll die demokratische Erziehung gewährleisten.
1936
Letzte Erwähnung (9. Mai) der Scuola Ludmilla Assing
in den »Registri Generali« des Florentiner Stadtarchivs.
zusammengestellt
von Dr. Nikolaus Gatter
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