zum 150. Todestag von
Bettina von Arnim
vor 170 Jahren, am 20. Februar 1839, schrieb Varnhagen
von Ense aus Berlin an Karl Gustav von Brinckmann in
Stockholm:
"Bettina verehrte Rahel'n sehr, und noch jetzt
schreibt sie mir nie einen
Brief oder Zettel, worin nicht deren Lob rührend
und schön ausgesprochen
wäre. Doch hat sie früher manche kleine Treulosigkeit
gegen Rahel verübt,
auch gegen mich, die wir ihr doch stets gern verziehen
haben. Sie lebt
großentheils in Launen, und folgt diesen unbedingt,
oft zu ihrem größten
Schaden, wie z. B. jetzt mit der englischen Übersetzung
ihres Buches, die in
England nicht durchdringt, und ihr großen Verlust
verursacht; sie war taub
und blind gegen alle Warnungen! Sonst kam sie täglich
zu mir, seit längerer
Zeit aber bleibt sie weg, doch wenn wir einander begegnen
oder schreiben,
ist es auf dem freundschaftlichsten Fuße. Ihrer
Begeisterung für Goethe
stehen ähnliche zur Seite, für Schinkel, Wilhelm
Humboldt, zuletzt für den
Fürsten von Pückler, doch immer mit derselben
unglücklichen Wendung, die
auch bei Goethe eingetreten war, der sie gar nicht mehr
vor sich lassen
wollte. Doch es ist unrecht, daß ich soviel sage,
da ich doch nicht alles
sagen kann, und alles erst das rechte Bild giebt. Es
ist nicht leicht, mit
Bettinen fertig zu werden, in der Schilderung wie im
Leben. Lassen Sie indeß
reichlich Platz für das Beste, er wird nicht leer
bleiben; die Frau hat
eminente Eigenschaften!"
Rainer Maria Rilke
Eben warst du noch, Bettine; ich seh' dich ein. Ist
nicht die Erde noch warm von dir, und die Vögel
lassen noch Raum für deine Stimme. Der Tau ist
ein anderer, aber die Sterne sind noch die Sterne deiner
Nächte. Oder ist nicht die Welt überhaupt
von dir? Denn wie oft hast du sie in Brand gesteckt
mit deiner Liebe und hast sie lodern sehen und aufbrennen
und hast sie heimlich durch eine andere ersetzt, wenn
alle schliefen. Du fühltest dich so recht im Einklang
mit Gott, wenn du jeden Morgen eine neue Erde von ihm
verlangtest, damit doch alle drankämen, die er
gemacht hatte. Es kam dir armselig vor, sie zu schonen
und auszubessern, du verbrauchtest sie und hieltest
die Hände hin um immer noch Welt. Denn deine Liebe
war allem gewachsen. Wie ist es möglich, daß
nicht noch alle erzählen von deiner Liebe? Was
ist denn seither geschehen, was merkwürdiger war?
Was beschäftigt sie denn? Du selber wußtest
um deiner Liebe Wert, du sagtest sie laut deinem größten
Dichter vor, daß er sie menschlich mache; denn
sie war noch Element. Er aber hat sie den Leuten ausgeredet,
da er dir schrieb. Alle haben diese Antworten gelesen
und glauben ihnen mehr, weil der Dichter ihnen deutlicher
ist als die Natur. Aber vielleicht wird es sich einmal
zeigen, daß hier die Grenze seiner Größe
war. Diese Liebende ward ihm auferlegt, und er hat sie
nicht bestanden. Was heißt es, daß er nicht
hat erwidern können? Solche Liebe bedarf keiner
Erwiderung, sie hat Lockruf und Antwort in sich; sie
erhört sich selbst. Aber demütigen hätte
er sich müssen vor ihr in seinem ganzen Staat und
schreiben, was sie diktiert, mit beiden Händen,
wie Johannes auf Patmos, kniend. Es gab keine Wahl dieser
Stimme gegenüber, die "das Amt der Engel verrichtete";
die gekommen war, ihn einzuhüllen und zu entziehen
ins Ewige hinein. Da war der Wagen seiner feurigen Himmelfahrt.
Da war seinem Tod der dunkle Mythos bereitet, den er
leer ließ.
in: Berliner Romantik. Eine Vierteljahrsschrift Jg.
1, H. 3, April 1919.
"Bettina von Arnim ist mit ihrem "Königsbuche"
beschäftigt, dessen Zueignung der König angenommen
hat. Es wird ohne Zweifel reichphantastisch, kühn
und freimüthig ausfallen; doch hat die Sache ihre
Schwierigkeiten, die sich mit jedem Tage mehren; weder
der König noch das Publikum sind mehr so unbefangen
und gut gestimmt, wie vor einem Jahre, die Wahrheiten
werden nicht schmeichelhaft erscheinen, die Schmeicheleien
nicht wahr. Überhaupt, wen nicht entschiedener
Beruf, oder entschiedene Gunst, in diese Sphäre
zieht, der thut besser, sich draußen zu halten;
der Boden ist unsicher und sengt die Sohlen!"
Karl August Varnhagen an Luise von Stolberg, 14.
Januar 1842
"Bettina von Arnim ist wieder hier, wohnt im Thiergarten
bei [den] Zelten,
hält es mehr als je mit dem Volke, mit den Polen,
und mit den Franzosen,
setzt auf unser Treiben geringe Hoffnung."
Karl August Varnhagen von Ense an Moritz Carriere,
29. Mai 1848
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