Freitag, 1. Oktober 2004
18.00: Eröffnung
Dr. Barbara Hendricks MdB (Kleve): Grußwort
Dr. Ina Pfitzner (Berlin): Übersetzen
im Europa der 25
19.00: I. Literatur im Salon - Salon in der Literatur. Moderation:
Kornelia Löhrer (Köln)
Christiane Nägler (Eltville): Rom,
Paris, Florenz: Salonnièren aus Deutschland und ihre Präsenz
in Europa
Dr. Mirjam Haller (Köln): Die
Versuche und Hindernisse Karls von Varnhagen, Neumann, Bernhardi
und de la Motte Fouqué. Ein Konzept kollektiver Autorschaft
um 1800
Dr. Katarzyna Grzywka (Warszawa, Polen):
"Ich war einmal Thor genug, Gesellschaft zu suchen..."
Zum literarischen Bild der Salonpraxis in der Komödie Die
Theegesellschaft von Ludwig Tieck und in der satirischen Skizze
Salon literacki von August Wilkonski
Samstag, 2. Oktober 2004
9.00: II. Goethes "Weltkulturerbe". Moderation: Christian
Liedtke (Köln)
Prof. Dr. Klaus F. Gille (Amsterdam, Niederlande):
"Wie die Erde in der alten Welt überall schon in Besitz
genommen sey" - Varnhagen und Goethes Wanderjahre
DDr. Claudia Schweizer (Wien, Österreich):
Ein Gemeinschaftsaufsatz von J.W. v. Goethe und Karl August Varnhagen
von Ense: Die Rezension zur Monatschrift der Gesellschaft des Vaterländischen
Museums in Böhmen (1830)
Holger-Falk Trübenbach (Berlin):
Goethe, Novalis und Varnhagen - Theoreme und Inhalte ihrer Übersetzungsarbeit
Beate Weber (Berlin): "...die Welt
einer neuen westländisch angehauchten Poesie" - Mori Ôgai
als Sprachschöpfer und Vermittler europäischer Kultur
in Japan
12.00: III. Deutsches - Jüdisches - Europäisches. Moderation:
Angelika Mensching-Oppenheimer (Hamburg)
Prof. Dr. Marjanne E. Goozé (Athens,
Georgia, USA): Europäische Aufklärung ins Preußische
übersetzt: Wilhelm von Humboldt und die Judenemanzipation
Dr. Gerlinde Röder-Bolton (Guildford,
U. K.): Goethe, Kleist und Heine - der kulturelle Austausch
mit Marian Evans (George Eliot) und George Henry Lewes
15.00: IV. Deutsch-französische Zustände. Moderation:
Karin Laakes (Bocholt)
Prof. Dr. Ursula Isselstein (Turin, Italien):
Rahels "Vorvolk". Rezeption und Vermittlung der französischen
Kultur durch Rahel Levin und Karl August Varnhagen
Hannah Lotte Lund (Potsdam): "Tout
le Monde auf Ihrem Sopha". Die Rezeption französischer
Salons und französischer Salonnièren im Varnhagenschen
Kreis
Christian Liedtke (Köln): "...auf
der Spitze der Welt": Heines Briefe aus Paris
Paolo Ferruta (Rom, Italien): Les
deux monde von Gustave d'Eichthal und seine Beziehungen zu Rahel
und Karl August Varnhagen: ein deutsch-französischer transfer
culturel in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts
18.00: V. Nationalliteratur und Weltbürgertum. Moderation:
Dr. Elke Wenzel (Bergisch Gladbach).
Ulf Jacob (Berlin): Fürst Pückler
und der "liebliche Traum der St. Simonisten". Ein Versuch
über Identität, Wissen und Landschaft
Spätestens seit der französischen Julirevolution von 1830
gewann in den europäischen Netzwerken der liberal und progressiv
gestimmten Wissenseliten eine der schillerndsten Modernisierungs-
und Erlösungslehren des 19. Jahrhunderts an Bedeutung: der
Saint-Simonismus. Missionierend verkündeten die Jünger
des bereits 1825 verstorbenen Ordnungstheoretikers und Sozialpropheten
Claude-Henri de Saint Simon das Evangelium von der Heraufkunft eines
Neuen Christentums, der führenden Rolle der so genannten Industriellen
und dem gesetzmäßigen Wechsel kritisch-destruktiver und
organisch-schöpferischer Epochen. Geschichte erschien in dieser
neuen Lesart nicht mehr als Abfolge beliebiger Staatsaktionen oder
als Manifestation abstrakter Ideen, sondern als ein gesamtgesellschaftliches
Fortschrittsprojekt, in dem der Aktions- und Innovationskraft der
Tätigen und Tüchtigen eine Schlüsselfunktion zukam.
Das saint-simonistische Modell blieb ambivalent und zeitigte in
Theorie und Praxis Konsequenzen der unterschiedlichsten Art: Während
sich die revolutionäre Linke bis hin zu Marx und Engels an
den utopischen Phantasien des blaublütigen Denkers erbaute,
konstruierte Auguste Comte im Anschluß an die Ideenfülle
seines Mentors nicht nur das System der positivistischen "Soziologie"
und damit einen der zentralen Ausgangspunkte der modernen Sozialwissenschaften,
sondern auch das autoritäre Programm einer den Staatsorganismus
rational lenkenden und leitenden Intellektuellenkirche.
In deutschen Landen zählte der Zirkel um Rahel und Karl August
von Ense zu den wichtigsten Foren der saint-simonistischen Bewegung.
Letzterem schien im Lichte der populären Doktrin "fast
alles, was uns bisher Hauptsache war und sein mußte",
nur noch klein, unbedeutend und gering. Auch Hermann Fürst
von Pückler-Muskau, der bereits in den 1820er Jahren auf Saint-Simon
aufmerksam geworden war, ließ sich begeistern und schwärmte
im Dialog mit Varnhagen von der "klare[n] Erkenntnis einer
beginnenden neuen Zeit". Freilich erwartete er deren Anbruch
erst in künftigen Jahrhunderten; die aktuellen Zukunftsentwürfe
bewertete er als noch "schwach und im Chaos". Demgegenüber
hielt er die geschichtsphilosophischen Positionen des Saint-Simonismus
"für eben so erhaben als unwiderleglich". Prominent,
umtriebig und gleichermaßen von Spätaufklärung und
Romantik geprägt, war Pückler zum Gewährsmann dieser
eigenwilligen, zwischen empirischer Vernunft und esoterischer Beseeltheit
changierenden Weltanschauung geradezu berufen.
Die Synthese aus Fortschrittsglauben, organizistischen Spekulationen,
Heilserwartung und Naturmystik fand auch in der Pücklerschen
Publizistik und Gartenkunst ihren Niederschlag. Mit den Andeutungen
über Landschaftsgärtnerei (1834) entstand sowohl ein
Monument der deutschsprachigen Gartenliteratur als auch eine "grüne",
saint-simonistisch grundierte Utopie. Allein im Medium des Textes
gelang es dem Lausitzer Standesherrn, den idealiter beschworenen
Ausgleich zwischen sozialem Wandel und historischer Kontinuität,
aristokratischer Herrschaft und allgemeiner Wohlfahrt, Urbanität
und arkadischer Ländlichkeit, Ökonomie und Ästhetik
herbeizuführen. Die in Wort und Bild imaginierte Perfektibilität
seines Muskauer Gartenreiches verlieh "jene[m] liebliche[n]
Traum der St. Simonisten: einer allgemeinen Verschönerung unserer
Mutter Erde" ein konkretes Gesicht. Sah sich Pückler einerseits
in der Rolle des Mensch und Natur kultivierenden und beherrschenden
"Gärtners", antizipierte er andererseits in seiner
Schrift Tutti Frutti (1834) das zerstörerische Potenzial
der industrialisierten Moderne. Schloß, Park und fürstlicher
Nachfahre fielen in einer düsteren Negativutopie dem Verwertungsdrang
hemdsärmeliger Profiteure zum Opfer. Mit der Rezeption des
Saint-Simonismus erhielt Pücklers zwiespältige, zwischen
demiurgischer Schöpferlust und melancholischer Anomie-Angst
oszillierende Ich- und Welterfahrung einen passenden Überbau.
Bis zu seinem Tode wirkte die einstmals verinnerlichte Macht der
Theorie auf die fürstlichen (Bewußtseins-) Landschaften
zurück. Es war Varnhagens Nichte Ludmilla Assing, der gegenüber
sich Pückler ungeachtet aller Bekenntnisse zum Pessimismus
seines neuen Lieblingsphilosophen Arthur Schopenhauer noch im hohen
Alter als Anhänger Saint Simons zu erkennen gab.
Dr. Nikolaus Gatter (Köln): "...wird
es Ihnen einen europaischen Reputazion
Haß geben." Die Briefe von Alexander von Humboldt an
Varnhagen von Ense (1860) und ihre internationale Wirkung.
Dr. Christina Ujma (Loughborough, U. K.):
Ludmilla Assing, das Risorgimento und die Deutschen
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